Boot Düsseldorf 2016: Ein Segler zieht seine Freunde zum Stand der Bretagne und schwärmt von den Büchern von Jean-Luc Bannalec. So gerne würde er dieses wunderbare Revier besegeln. Auch wir sind gleich dem ersten Band verfallen und waren just in Concarneau, als dort die Außenaufnahmen zur Verfilmung von Bretonische Verhältnisse entstanden.
Auf dieser Segelreise wollen wir mit unserer SY Logoff die wichtigsten Schauplätze der Reihe besuchen. Kommissar Dupin mit dem Boot folgen? Eigentlich ein Widerspruch! Kennern der Reihe ist wohlbekannt: Kommissar George Dupin, der Pariser, liebt zwar das Meer, läßt sich aber nur sehr widerwillig auf Bootsfahrten ein. Doch wer an der bretonischen Küste lebt, kann dem Meer nicht entkommen und der Autor schickt seinen Dupin deshalb immer wieder zu Schauplätzen, die nur über die See erreichbar sind.
Für diejenigen, die Jean-Luc Bannalec und seinen Commissaire noch nicht kennen, haben wir hier einige Kostpoben zusammengestellt:
Aven / Belon
Die Straße endete an einer Mole. Ein Dutzend Küstenfischer hatten hier ihre traditionellen bunten Boote liegen, ein paar Einheimische ihre Motorboote und und einige der Urlauber ihre Segelboote…. Ein Dutzend alter Platanen säumten den kurzen Quai. Es war nicht mehr viel los.
Sie setzten sich an einen der Tische am Wasser. Ein Kellner erschien umgehend, drahtig, klein, wieselflink – Dupin mochte das an Kellnern. Die Küche war im Begriff zu schließen. Sie bestellten rasch, ohne große Diskussionen. Belon-Austern, die ein paar hundert Meter weiter aus dem Belon geholt wurden, und dann Seeteufel, gegrillt, nur mit fleur de sel, Pfeffer, Zitrone. Dazu gut gekühlten, ganz jungen Rotwein aus dem Rhônetal.
»Das ist schön hier, wahnsinning schön.«
Marie Morgane Cassel ließ ihren Blick umherschweifen. Es war, empfand Dupin, etwas unwirklich, hier jetzt so zu sitzen; pittoresker, romantischer ließe sich kein Ort und kein Essen denken – und dies am Ende eines solchen Tages, mit einem Toten, einer Verhaftung, inmitten eines verworrenen Falles. Aber es stimmte, es war schön.
Archipel des Glenan
Das Les Quatre Vents war augenfällig nicht als Restaurant, Café oder Bar gebaut worden. Es war das Bootshaus der ersten Seerettungsgesellschaft der Küste gewesen, die in Concarneau ihren Hauptsitz hatte, aber hier draußen ihre, aufgrund der dauernden Einsätze, wichtigste Dépendance. Über hundert Jahre war es alt, und man hatte es außen gar nicht und innen nur wenig und ohne großen Aufwand umgebaut. …. Es gab nicht viel im Quatre Vents, eine kleine Auswahl an Getränken, hauptsächlich Bier, Wein und Hochprozentiges, ein wechselndes Plat du jour – den Fisch des Tages oder ein Entrecôte -, Sandwiches mit verschiedenen Fischrillettes, Fischsuppe, die Meeresfrüchte, die hier aus dem Atlantik zu holen waren: Krebse, Seespinnen, verschiedensten Muschel- und Schneckenarten: Bulots, Bigourneaux, Palourdes, Praires, Ormeaux. Aber vor allem, natürlich, die Hummer der Glénan. … Dupins Laune hatte sich schlagartig gebessert, seit er im Quatre Vents saß. Es war großartig hier. Ihm war sofort klar gewesen, dass er diesen Ort liebte; augenblicklich hatte er einen Platz auf Dupins Liste der »besonderen Orte« erobert, die er führte, solange er sich zurückerinnern konnte. Orte, die ihn froh machten.
Îles aux Moines (Golfe du Morbihan)
Le San Francisco war ein großartiger Ort, Dupin hatte sich nicht getäuscht. Allein der Name war großartig. Eine direkt über dem Hafen liegende Terrasse, zwischen Pinien, kleinen Palmen, Hortensien, einer Grüneiche. Und einem echten Kiwi-Baum! Ein lang gezogenes, zweistöckiges Steinhaus mit hundertjähriger Patina, kein bisschen zurechtgemacht, die Farbe blätterte mit Flair von den Fensterläden. Gemütliche Holzstühle mit beigefarbenem Leinen. Ein atemberaubender Blick auf den Golf, den gegenüberliegenden Teil der Mönchsinsel, leicht hügelig wie hier, und, weiter im Osten, auf die Île d’Arz. Schmale Streifen Tiefgrün – nur einzelne hohe Kiefern und Pinien stachen majestätisch aus den dichten Wäldchen hervor. Dazwischen: das Blau des Wassers, das ohne jede Bewegung vor ihm lag. Eine Landschaft wie auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert.
Dupin hatte sich an einen winzigen Tisch in der ersten Reihe gesetzt. Es war nicht viel los. Der perfekte Platz. Die Île aux Moines gefiel ihm mehr und mehr. Das war die Bretagne des Sommers. La »douceur de vivre«.
Brest, Océanopolis
Plötzlich begannen sie beide zu rufen. Kurz, abgehackt. Drohrufe. Eindeutig. Dupin hatte für einen Moment gedacht, sie gälten ihm. Aber er hatte sich geirrt. Am anderen Ende des Vorsprungs des beschneiten arktischen Pavillions standen drei seiner Lieblingspinguine: Eselspinguine, die hier, im Océanopolis bei Brest, zusammen mit einer Gruppe von Felsenpinguinen die größte Pinguinkolonie Europas bildeten und Dupin, den Pinguinliebhaber, alle paar Monate, wenn er Richtung Brest musste, dazu brachten, einen Abstecher hierher zu unternehmen. …
Es handelte sich bei Ihnen um französische Pinguine. Sie kamen von offiziellem französischem Staatsgebiet, den Îles Crozet, subantarktischen Inseln. Und, noch viel entscheidender: Diese Inseln waren in Wahrheit ein bretonisches Archipel! Denn entdeckt worden war es im 18. Jahrhundert von dem Marineoffizier Julien-Marie Crozet. Der aus dem Morbihan stammte, nahe dem berühmten Golf. Ein Bretone! Diese Pinguine hier – es waren Bretonen. Was ebenso bedeutete: Es gabe eine original antarktische Bretagne! Für Bretagne-Anfänger mochte es kurios klingen – Dupin aber erstaunte es längst nicht mehr, hatte er in den letzten Jahren doch bereits die Südsee-Bretagne, die karibische, die mediterrane und auch die australische Bretagne kennengelernt. »Die Bretagne gibt es nicht! Es gibt viele Bretagnen!«, war einer der grundlegenden Lehrsätze seiner Assistentin Nolwenn.
Douarnenez
Zum ersten Mal an diesem Morgen hellten sich Dupins Züge auf. Er hätte fast Lächeln müssen. Der Quai und das Viertel dahinter waren fabelhaft, er konnte Stunden auf der alten Mole mit ihren in Blau-, Rosa und Gelbtönen gestrichenen Fischerhäusern verbringen, in einem der Cafés oder Bistros sitzen und einfach dem Leben zuschauen. Dem wirklichen Leben, wie man so sagte. Am liebsten im Café de la Rade, strahlend weiß und atlantisch blau gestrichen, einst eine Fischkonservenfabrik. Alles dort war unverstellt, nichts inszeniert. Man blickte auf den Hafen, auf die Bucht von Douarnenez, es war atemberaubend schön. Dupin mochte Douarnenez, besonders die wunderbaren alten Markthallen – man bekam dort unglaublichen Kaffee – und Port de Rosmeur, das mit Charme gealterte Hafenviertel aus dem 19. Jahrhundert, dem goldenen Zeitalter der Sardine.